Behindert sein oder behindert werden?

Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage. Diesen Satz kennt wohl so gut wie jeder. Er stammt aus der Tragödie Hamlet von William Shakespeare. Eine ähnliche Frage stelle ich mir und vielleicht auch viele andere mehr oder weniger behinderte oft. Bin ich behindert oder werde ich behindert? Auf den ersten Blick mögt ihr jetzt denken, was will der von uns? Schreibt er hat kongenitale Muskeldystrophie und fragt sich, ob er behindert ist?

Tja, ganz so einfach ist es dann doch nicht und ich bin auch nicht verrückt 😉

Das ich eine Behinderung habe brauche ich nicht verheimlichen. Würde auch ziemlich schwer werden. Ich meine die vielen anderen Dinge im Alltag. Grundsätzlich denke ich in meinem normalen Alltag nicht darüber nach, dass ich zu einem großen Teil auf den Rollstuhl angewiesen bin oder das ich so schlimm schwerbehindert bin. Es wird einem erst dann wieder bewusst, wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist.

Die ganz normalen Barrieren und Behinderungen

Bordstein als BehinderungWer schon einmal mit einem Rollstuhl, Rollator unterwegs war oder Kinder hat und sie mit dem Kinderwagen spazieren gefahren hat wird wissen, was ich jetzt schreibe. Ich fange bei kleinen Schwellen an, es geht über nicht abgesenkten Bordsteinen bis hin zu Treppen vor Hauseingängen. Diese kleinen Hindernisse, die man als gesunder Mensch oftmals gar nicht wahrnimmt, weil diese keine Barrieren darstellen sind für mich und alle anderen mit Rollstuhl, Rollator, Kinderwagen etc. ein teilweise großes Problem. Steht man vor einer solchen Barriere ist es ohne Hilfe von andere meistens nicht möglich dieses Hindernis zu überwinden. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass heutzutage an vielen Stellen diese Barrieren schon beseitigt sind. Leider aber nicht überall.

Ich muss sagen, dass ich erfreulicherweise eigentlich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht habe, wenn ich fremde Leute, z.B. in der Fußgängerzone um Hilfe bitten musste. Es ist im Gegenteil eher der Fall, dass viele Leute peinlich berührt sind, dass sie nicht selbst auf die Idee gekommen sind zu helfen. Aber auch wenn ich und viele andere durch Mithilfe von fremden diese Barrieren und Hindernisse überwinden können bleibt doch eine Abhängigkeit und ein Behinderung den Alltag selbstbestimmt und alleine bewältigen zu können.

Ich habe kein Problem damit Leute um Hilfe zu bitten. Ich weis aber auch das es viele gibt, die damit schon ein Problem haben. Auf diese Hilfe sollte man auch nicht mehr angewiesen sein. Meistens ist es nur eine Kleinigkeit diese Barrieren zu beseitigen. An dieser Stelle kann ich andere Rollstuhlfahrer aber auch nur ermuntern, bei Problemen Leute anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Ich habe, wie gesagt, selten bis nie, schlechte Erfahrungen damit gemacht.

Ein weiteres Beispiel sind Aufzüge. Ohne diese wären Treppen eine unüberwindbare Barriere. Gut es es sie gibt. Leider sind bei vielen Aufzügen die Knöpfe aber so hoch, dass man im Rollstuhl sitzend überhaupt nicht daran kommt um den Aufzug zurufen. Die Folge ist, dass man, sofern man noch kann, versucht aufzustehen und den Knopf zu drücken.

In meinen Beispielen kann ich  aus eigenen Erfahrung im Grunde nur von Barrieren für Rollstuhlfahrer berichten. Wo sind eure Barrieren und Behinderungen im Alltag?

Optik vs. Barrierefrei

Kopfsteinpflaster als BehinderungHier in Wesel, aber auch in vielen anderen Städten gibt es oft Bereiche in der Stadt, die mit schönem Kopfsteinpflaster gemacht sind. Dies sieht natürlich super aus und macht für viele einen optisch besseren Eindruck als geteerte oder normal gepflasterte Straßen. Leider sind spätestens solche Straßen oftmals das Ende eines schönen Stadtbummels. Hier kommt man allein nämlich wenn überhaupt nur sehr schwer weiter und wenn man geschoben wird nur in gekippter, „kickstarter“ Position. Wie man sich sicher denken kann ist das für mich als Rollstuhlfahrer und auch für den Schieber, wenn vorhanden, absolut beschissen.
Nach meine Informationen ist bei solchen Straßen oder Plätzen oft das Problem, dass diese mit zum Teil öffentlichen Mitteln errichtet wurden und nicht oder nur minimal geändert werden dürfen. Wenn man Barrierefreiheit, Inklusion und wie die toll klingenden Begriffe alle heißen wirklich ernst nimmt, kann es meiner Meinung nach nicht sein, dass solche Barrieren nicht abgebaut werden dürfen, weil irgendwann einmal irgendwas gefördert wurde. Wegen der Optik muss ich dann mit dem Rollstuhl über das Kopfsteinpflaster in bester Rollstuhlfahrermanier hüpfen und stolpern.

Werde ich also behindert?

Eindeutig ja. Viel mehr als ich mich behindert fühle, werde ich in meinem Alltag durch die vielen Barrieren und Behinderungen immer wieder daraufhin gewiesen, dass eben nicht alles für mich erreichbar ist und ich leider viel zu oft auf Hilfe angewiesen bin, wo es nicht sein muss.

Wie sind eure Erfahrungen mit Barrieren und Hindernissen?

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